Zum Bild: 4.6., Decalcomanische Superheldenkatze von A., der einzigen weiblichen Schülerin meines Kunstkurses.
Gerne wäre ich eine Superheldin, dann könnte ich mir einen Schutzanzug zulegen, um in der Welt dort draußen besser zu bestehen. Zu zart für die Welt, nicht systemkompatibel. „Haben Sie schon einmal überlegt, wie hoch ihr Grad an Behinderung ist?“, fragte mich die äußerst sympathische Beraterin während eines Termins zur Berufsfindung/ Existenzgründung.
Am Freitag vor einer Woche war ich mutig. Ich begab mich auf den Kurzfilmstreifzug in der Innenstadt. Keine gute Idee. Ist mir schlecht bekommen. Hätte es besser wissen müssen. Dabei wollte ich soviele besondere Orte kennenlernen, gute Filme sehen. Wurde nix draus. Zunächst war die Fahrt mit dem Rad in die Stadt an einem zusätzlichen Tag – was ich sonst außerhalb meiner beiden Kurstage vermeide – ganz schön, doch kaum war ich am ersten Filmort angekommen, begann mein Mut zu schwinden. Ein Heer lustiger TrinkerInnen auf dem Marktplatz, direkt neben angesagten Straßencaf´és, ein vertrauter Anblick, verstörte mich an diesem Tag, waren es doch soviele berauschte Menschen. Einer davon blies kurz aus Scherz in eine Signalpfeife, was mir direkt durch Mark und Bein schoß. Zuflucht suchte ich in der Kirche, in der ein türkischer Kurzfilm aus dem Jahr 1995 gezeigt wurde, Koza von Nuri Bilge Ceylan. Stark berührt von einer Szene, weinte ich still, erschrak fürchterlich durch Donnergrollen bei einer anderen. Sah den Film nur zur Hälfte. Ein Techniker führte im Off hinter der großen Leinwand ein „Hörstück“ auf. Ein älterer Herr unterhielt sich im Gang neben mir mit einer älteren Dame über den Film, zeigte sich mäßig begeistert, hatte aber auch keine Ahnung von Filmästhetik. Störte mich. Suchte den nächstgelegenen Filmort auf, ein winziger, stickiger Raum, mit mehreren freundlichen Damen auf einer Stuhlreihe, von denen mir eine einen Sitzplatz anbot, den ich dankend ablehnte, um mich noch einmal in die Kirche zu wagen, wollte ich doch zu gern den Film in Gänze sehen. But the problem wasn’t solved yet. „I’m done.“, dachte ich und wollte trotz Erschöpfung noch nicht aufgeben.
Nächster Ort: eine Fahrschule, in der mich die freundliche Fahrschullehrerin, die gerade ein Beratungsgespräch durchführte, darauf hinwies, dass der Film bereits lief und ich doch gerne warten könne. Das tat ich kurz und ging dann doch. Am nächsten, einer Galerie, flötete mir der galante Galerist entgegen, dass ein Druckfehler im Programm die falsche Zeit angegeben hätte und doch erst am Abend ein Film gezeigt würde. Am nächsten Ort rauschte ich in einen schwarzen Vorhang und die sich noch im Aufbau befindenen AusrichterInnen hinein, die mich vertrösteten.
Alles kein Ding für Normaltickende. Für mich war allein die Tatsache herausfordernd, an verschiedenen Orten mit verschiedenen Menschen kurz zu kommunizieren oder eben auch nicht, aber mit ihnen zu sein, da sie an dem jeweiligen Ort eine Gruppe bildeten, zu der ich dann ja auch gehörte, aber eigentlich gar nicht wollte.
Ich ging zurück zu meinem Rad und fuhr zu T., der bei „IKK“ Filmvorführer war. Wäre ihm am liebsten erschöpft weinend um den Hals gefallen. Fühlte mich kurz ein wenig sicher bei ihm und an diesem mir so vertrauten Ort. Leider war’s zu hell, die Fenster nicht abgedunkelt, erst am nächsten Tag durch eine Packpapieridee von mir, so dass ich auch diesen Film nicht ungetrübt sehen konnte. Schaffte kaum den Weg nach Haus. Riss mich dort wegen der Kinder zusammen. War erschüttert, wie sehr ich an alte Erlebens-/ Gefühlsmuster erinnert wurde, von denen ich gehofft hatte, sie überwunden zu haben, vgl. erster (!) Blogartikel vom 15.8.16, Welcome home, kid: „… eigentlich bräuchte ich einen Schwerbehindertenausweis.“ Immer noch.