Zum Foto: Bergs Buch gelesen in den frühen Morgenstunden, Weihnachtsferien in AUR (vgl.: Schreiter). Zum Titel: "tag" an einer Mauer in HH, von K. gesehen (vorherige Aussage wurde in diese wahre umgeschrieben).
Gestern war ich zornig und bin’s noch… Hatte Sibylle Bergs „Nerds retten die Welt. Gespräche mit denen, die es wissen“ (Köln 2020, Anm.: VOR Corona erschienen) zur Hand genommen und in meinen Notizen dazu gestöbert. Las noch einmal Ausschnitte aus dem Interview mit der Politologin Emilia Zenzile Roig (z.B. die Frage von S.B.: Gibt es ein paar Ratschläge, an die sich jede Einzelne halten kann, um dazu beizutragen, strukturelle Benachteiligung und Rassismus zu beseitigen? Kleine Schritte, wie die Unterlassung von kränkenden Worten, Fragen? Was können wir persönlich beitragen, um eine gerechtere Welt entstehen zu lassen? und die Antwort von E.R.: Es gibt leider keine magischen Regeln, an die wir uns halten können… Auch wenn wir in Bezug auf die Ungerechtigkeit in dieser Welt nicht schuldig sind, können wir trotzdem Verantwortung übernehmen. Und generell helfen Liebe, Empathie und Bescheidenheit auch ganz gut (ebd., S. 328/29). Am Schluss des Gespräches erwähnt E.R. ein Zitat der indischen Schriftstellerin, Drehbuchautorin, politischen Aktivistin und Globalisierungskritikerin Arundhati Roy (Anm.: VOR Corona!): Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist unterwegs. An ruhigen Tagen kann ich sie atmen hören (Anm.: Diese optimistischen Worte sind wunderschön und stärkend, klingen seit C. jedoch eher zynisch). Ich recherchiere daraufhin über Roys Entsetzen über Indiens Corona-Katastrophe und bin gleichfalls entsetzt und werde so zornig angesichts von Leugnung und Egoismus und Verhöhnung anderen Orts… K., meine wundervolle Tochter (13) und ich führen daraufhin ein gutes Gespräch und ich bin wie bereits oft zuvor bewegt, ob der Weitsicht und Achtsamkeit dieses Mädchens.
Anm. 1: Erschreckend, wie einige Aussagen in den Interviews bereits auf die C.krise zutreffen, z.B. "Wir werden in ständigem Umbruch und Rückzug leben, in einer Welt des ständigen selbstverschuldeten Konflikts." (Carl Safina, Meeresökologe, Kämpfer für Tier- und Naturschutz; ebd. S. 220). "An tristen Tagen habe ich das Gefühl, dass dieses Entgleisen der Alten Welt ein Prozess ist, den es zu allen Zeiten gab. Mit ihren Warnern, der Angst vor dem Unbekannten. Vermutlich kann man das momentane Unwohlsein in einem Satz zusammenfassen: Wir werden uns an alles gewöhnen." (S.B., ebd. S. 260). Anm. 2: Wunderbar hingegen, wie sehr Sibylle Bergs folgende Aussagen auf meine persönliche Sicht zutreffen: "Meine Texte, egal, ob Bücher oder Stücke, sind Variationen der immer gleichen Themen - der Albernheit unseres Daseins, das mit einer großen, bekannten Demütigung endet. Und des Paradoxons, dass wir meinen, die Welt würde ohne uns nicht sein, wir der Welt aber egal sind. Ich habe immer eine große Liebe für traurige Menschen empfunden. Außenseiter, sogenannte Freaks, seltsame Leute, die nicht in den Erwartungen anderer funktionieren, die wir alle geliebt werden wollen und es nie erleben. Von daher: ja, ein wenig pessimistisch, aber auch süß. Die für mich interessanten Künstlerinnen beschreiben Unvollkommenheit und Suche. Unfertige Zustände reizen zum Denken. Zufriedenheit und Perfektion muss man nicht beschreiben. Sie verlangen nicht nach Entwicklung." (dies. S. 190). Zum Tages/Arbeitsablauf des Neurospychologen Jens Foell: "Das klingt nach einer wunderbaren Abwesenheit anderer Menschen." (S.B., ebd. S. 262).