Herzensverbindung

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Manchmal gibt es sie – eine unausgesprochene  Herzensverbindung. Ich meine eine Verbindung von Herz zu Herz zwischen zwei Menschen, die sich sonst gar nicht so gut kennen oder oft begegnen, die keine Worte brauchen, sondern eine unausgesprochene, innige Verbindung spüren. Habe ich in der Form bisher zweimal erlebt und gestern zum dritten Mal (in B. sprach ich mit meiner Freundin G. darüber, dass eine ähnliche Verbindung vielleicht auch zwischen mir und ihrer Tochter L. bestehe. Musste L. doch in Irland, während einer Meditation in einem buddhistischen Zentrum, an der sie zum ersten Mal teilnahm, fortwährend an mich denken. Und als Kind sagte sie einmal zu G., nachdem sie mich zum Bahnhof gebracht hatten: “ Jetzt nicht mehr von Frauke sprechen, sonst muss ich weinen!“ Berührt mich beides sehr!).

Ich muss ungefähr 15/16 Jahre alt gewesen sein, als ich mit meiner Mutter eine alte Frau aus ihrem Heimatdorf besuchte: Motje (ich muss diesen Namen ausschreiben, weil mir der plattdeutsche Klang bereits ins Herz geht). Motje hatte ihren Mann im Krieg verloren, als ihre gemeinsame Tochter drei Wochen alt war. “ Dann stutt düvel achter mi un seg: „Mok di ant siet!“ (ostfriesisches Plattdeutsch, übersetzt: Dann stand der Teufel hinter mir und sagte: “ Bring dich um!“). Ihr Glaube hielt sie am Leben (neben ihrem Mann waren auch drei Brüder im Krieg gefallen; ihre Schwester verlor ihren Sohn) und obwohl sie bitterarm war, hatte sie ihrer Tochter eine Ausbildung zur Krankenschwester ermöglicht.

Zurück zum Besuch damals: Ich hatte Motje nie zuvor gesehen, kannte sie nur aus Erzählungen meiner Mutter. Wir stehen in der Küche und eine kleine, hutzelige, über und über mit Lachfalten übersäte Oma, sieht mich, srahlt über’s ganze Gesicht und wir fallen uns beglückt, wie nach einem unverhofften Wiedersehen in die Arme…

Die zweite Herzverbindungserfahrung machte ich mit Anfang 20 in Südafrika, als ich mit meiner Cousine und ihren beiden Kindern deren Tanten in Johannesburg im Township besuchte. Mamou (auch diesen wunderschön klingenden Namen muss ich ausschreiben), die stillere der beiden Schwestern, mit einem sehr schönen, anmutigen Gesicht, hat ihre Tochter verloren. Ich kann die innere, mich unglaublich berührende Verbindung, die ich zu ihr spürte, nicht beschreiben, sie war einfach da.

Zurück in die Gegenwart: Gestern ging ich zu meiner Nachbarin U. (H.), die mir den „Herzensbrief“ geschrieben und den Stein geschenkt hatte, um sie dafür zu umarmen. Ich wusste vorher gar nicht, was ich sagen sollte, nur, dass ich sie umarmen wollte. Und so war’s auch – die Worte waren weg und wir standen eine ganze Weile innig umarmt in der Haustür. Mussten uns anschauen, wieder umarmen und festhalten, ich räusperte mich, um etwas zu sagen, aber es ging nicht. Lachen, wieder umarmen. H. sagte, ich müsse nichts sagen und sagte ihrerseits „Danke!“ für meinen Blog und dass sie beim Lesen den ganzen Sonntag geweint – und gelacht – hätte. Mit wackeligen Beinen und dem Stein in der Hosentasche zog ich von dannen.

P.S. Ich lese den Brief gerade wieder und es durchströmt mich.

Ich erinnere mich auch an die bereits vorhandene Ahnung dieser Verbindung, die in mir aufkam, als H. mich, mit schwangerem J.bauch in der Sonne sitzend, zufällig sah und mich spontan, strahlend und wortlos umarmte und mich auf die Wange küsste. Die verblüffte Beglückung meinerseits klingt immer noch nach.