„Bin ich’s, oder bin ich’s nicht?“

image

Ich und Du als Monster, J., 3 Jahre.

Catherlieschen (…) hatte so seine Gedanken (…), sprach der Frieder: „Catherlieschen, nun musst du aber auch fleißig sein und arbeiten.“ „Ja, Friederchen, will’s schon tun, will ins Feld gehen, Frucht schneiden.“ Als Catherlieschen im Feld war, sprach‘ s mit sich selber: „Eß ich, eh ich schneid, oder schlaf ich, eh ich schneid? Hei, ich will ehr essen!“ Da aß Catherlieschen und ward überm Essen schläfrig und fing an zu schneiden und schnitt halb träumend all seine Kleider entzwei, Schürze, Rock und Hemd. Wie Catherlieschen nach langem Schlaf wieder erwachte, stand es halb nackigt da und sprach zu sich selber: „Bin ich’s, oder bin ich’s nicht? Ach, ich bin’s nicht!“ Unterdessen ward’s Nacht, da lief Catherlieschen ins Dorf hinein, klopfte an ihres Mannes Fenster und rief: „Friederchen?“ „Was ist denn?“ „Möcht gern wissen, ob Catherlieschen drinnen ist?“ „Ja, ja“, antwortete der Frieder, „es wird wohl drin liegen und schlafen.“ Sprach sie: „Gut, dann bin ich gewiß schon zu Haus“, und lief fort (1).

Es war ein Mann, der hatte eine Tochter, die hieß die kluge Else. (…) Hans (…) hielt um sie an;… und die Mutter sagte: „Ach, die (kluge Else) sieht den Wind auf der Gasse laufen und hört die Fliegen husten.“ Als sie nun zu Tisch saßen und gegessen hatten, sprach die Mutter: „Else, geh in den Keller und hol Bier.“ Da nahm die kluge Else den Krug von der Wand, ging in den Keller,(…), und während der Zeit, daß das Bier hineinlief, wollte sie doch ihre Augen nicht müßig lassen, sah oben an der Wand hinauf und erblickte nach vielem Hin- und Herschauen eine Kreuzhacke gerade über sich, (…) Da fing die kluge Else an zu weinen und sprach: „Wenn ich den Hans kriege, und wir kriegen ein Kind, und das ist groß, und wir schicken das Kind in den Keller, daß es hier soll Bier zapfen, so fällt ihm die Kreuzhacke auf den Kopf und schlägt’s tot.“ Da saß sie und weinte und schrie aus Leibeskräften über das bevorstehende Unglück. Die oben warteten auf den Trank, aber die kluge Else kam immer nicht. Da sprach die Frau zur Magd: “ Geh doch hinunter in den Keller und sieh, wo die Else bleibt.“ (…) Der Knecht ging hinab, da saß die kluge Else und die Magd und weinten zusammen. (…) Die Frau ging hinab und fand alle drei in Wehklagen und fragte nach der Ursache. (…) Als er (der Mann) aber in den Keller kam und alle da beieinandersaßen und weinten und er die Ursache hörte, daß das Kind der Else schuld wäre, das sie vielleicht einmal zur Welt brächte und von der Kreuzhacke könnte totgeschlagen werden, wenn es gerade zu der Zeit, wo sie herabfiele, darunter säße, Bier zu zapfen, da rief er: „Was für eine kluge Else!“, setzte sich und weinte auch mit. (…), sprach Hans, „(…); weil du so eine kluge Else bist, so will ich dich haben“,(…).

Frau,(…); geh du ins Feld und Schneid das Korn, daß wir Brot haben.“ „Ja, mein lieber Hans, das will ich tun.“ (…) Als sie aber immer noch ausblieb und es Abend ward, da ging der Hans hinaus (…): aber es war nichts geschnitten, sondern sie lag im Korn und schlief. Da eilte Hans geschwind heim und holte ein Vogelgarn mit kleinen Schellen und hängte es um sie herum; (…) Endlich, als es schon ganz dunkel war, erwachte die kluge Else, und als sie aufstand, rappelte es um sie herum, und die Schellen klingelten bei jedem Schritte, den sie tat. Da erschrak sie, ward irre, ob sie auch wirklich die kluge Else wäre, und sprach: „Bin ich’s, oder bin ich’s nicht?“ Sie wußte aber nicht, was sie darauf antworten sollte, und stand eine Zeitlang zweifelhaft; endlich dachte sie: Ich will nach Haus gehen und fragen, ob ich’s bin oder ob ich’s nicht bin, (…) „Hans, ist die Else drinnen?“ „Ja“, antwortete der Hans, „sie ist drinnen.“ Da erschrak sie und sprach: “ Ach Gott, dann bin ich’s nicht“, (…) Da lief sie fort zum Dorfe hinaus, und niemand hat sie wiedergesehen. (2)

1: Aus: Der Frieder und das Catherlieschen. In: Kinder- und Hausmärchen / ges. durch die Brüder Grimm, Bd. 2, Zürich 1994, S. 411, 418/19.

2: Aus: Die kluge Else. In: ebd., Bd. 1, S. 244-249.