Wie das blühende Leben

 

Meine alte Handpuppe Freddy (Foto: K.)

Wenn ich abends und morgens in den Spiegel schaue, denke ich oft: „Du siehst aus, wie das blühende Leben! (1)“. Haha! (2) Alte Leier!

Eine andere alte Leier: Ich hätte gestern mehr auf meine Grenzen achten sollen – as usual! Der Osteopath riet mir am Morgen – ,wenn ich es einrichten könne -, mich nach der Behandlung eine halbe Stunde lang auszuruhen. Ich hätte es einrichten können, ich habe ja keine Arbeit (Haha! Zumindest wird sie nicht bezahlt – nicht die künstlerische, die hausfrauliche, die mütterliche, die psychische (!)), tat es aber nicht. Immer tätig sein – as usual! Ich überging die Müdigkeit tagsüber immer wieder – as usual -, bis die Energie am Abend aufgebraucht war. Ich stamme einerseits aus einer äußerst schlafbedürftigen Familie, denke ich an meine Mutter und meinen Bruder, andererseits brauche ich ja gerade als HSP dringend Regenerationsphasen und eben vor allem den Schlaf.

Abends bringe ich oft alles nur noch mit halber Kraft über die Bühne, schleppe mich herum – vom Abendbrotmachen zum Insbettbringen. Als vor einiger Zeit versehentlich das Telefon noch nicht leise gestellt war und klingelte, bekam ich einen Heulkrampf. Vor allem, weil es mich betraf. Zum Glück regelte T. alles für mich. Bin einfach nicht mehr dazu imstande. Andererseits kann ich mich natürlich auch mobilisieren, wenn es einen Abendtermin gibt, aber äußerst ungern und mit Kraftaufwand. Kein unbekanntes Phänomen für viele (nur die Voraussetzungen sind andere…).

Gestern Abend kam es noch zu einem kurzen Mutter-Sohn-Bad-Eklat: Er, der 4jährige, der in letzter Zeit immer alles alleine machen will (nicht alles!), um zu zeigen, wie fix er ist (ist er auch!), wollte allen Ernstes den Deckel einer Glasflasche durch Anschlagen an den Waschbeckenrand öffnen! (Vielleicht hat er diese fixe Idee entwickelt, weil er gestern ein Ei am Rand einer Metallschale aufschlagen durfte…?!) Ich brachte ihn von seinem Vorhaben ab und drehte ihm kurz den Rücken zu. Als ich dann ein „Tocktock“ vernahm, schrie ich vor Schreck auf, weil ich mir in der gleichen Sekunde das Szenario von Scherben und blutenden, verklebten Kinderhänden ausmalte. J. schrie natürlich auch vor Schreck (und Empörung) und es hallte alles ganz wunderbar im Kachelbad.

Während ich J. im Anschluss zu Bett brachte, erdachte mein ermattetes Hirn weiterhin so wundervoll positive Dinge, die mich bereits am Tag beschäftigt hatten: dass ich ja keine richtige Künstlerin bin und es anmaßend ist, das zu denken; dass ich nicht nur Mutter sein will und kann; dass ich Geld verdienen will und muss und nicht weiß, ob und wie ich in der Arbeitswelt Fuß fassen kann, wie ich mich präsentieren soll, ob ich bestehen kann… Herrje!

Zum Glück ist heute ein neuer Tag! „Hallo Tag! (3)“

1: Ironischer und besorgt gemeinter, alter Ausspruch meiner Mutter.

2: vgl. Zeichnung Nr. 2 vom 17.8.16. 

3: Sms einer Freundin von Samstag, 23:25, auf meinen Artikel Wust oder "Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben" vom 3.2.17.: ": ..ich finde sehr wohl, daß man den Morgen vor dem Abend loben sollte. Bleibt ja trotzdem ein guter Morgen. Und umgedreht sollte man sich sinnbildlich doch den guten Morgen durch den unguten Abend nicht nehmen lassen, nach dem Abend kommt ja gleich wieder ein Morgen. (...) es ist doch alles im Fluss und begänne sinnbildlich der Tag mit dem Abend und endete mit dem Morgen, wäre die Sichtweise eine viel positivere.