„Jöselei“ oder „Dark, Dark, Dark“ oder auch „Apfelbaum“

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Aufgrund von „Schnöttkopp“ bereits am Morgen nah am Wasser gebaut. Habe gestern Abend zum zweiten Mal  Das weise Herz von Jack Kornfield (1) begonnen und darüber gleich mit T. philosohiert. Das weise Herz ist kein Roman, sondern erläutert die universellen Prinzipien der buddhistischen Psychologie. Kornfield fordert dazu auf, in jedem Menschen dessen innere Güte zu sehen und alle Menschen, die einem begegnen, anzuerkennen, zu schätzen und mit Respekt zu behandeln (2). Man müsse sie sich als kleines, unschuldiges Kind vorstellen (3) oder, wie ich denke, im Schlaf. Grundsätzlich ist mein Herz so weise, aber mir kamen Zweifel auf der „globalen“ Ebene – wie bereits oft zuvor und mehrfach auch mit meiner alten, weisen Mutter am Telefon thematisiert (Gespräche über „das Böse“).

Einige Beispiele kamen mir heute Morgen in den Sinn:

  • Gandhi, gewaltfreier Widerstand, erschossen
  • alter, katholischer Priester in einer Kirche bei Rouen, dem im Juli von IS-Kämpfern die Kehle durchgeschnitten wurde
  • Zeitartikel über eine nigerianische Schriftstellerin und Feministin, deren Vater, ein ehemaliger Mathematikprofessor, im Alter von über 80 Jahren entführt wurde, um Lösegeld zu erpressen. Hatte Artikel bis dato verdrängt, weil er mich so erschütterte und zum Weinen brachte. Der Vater war den Menschen immer respektvoll und mit Achtung begegnet und nach der Entführung ein gebrochener Mann
  • Nigerianische Terrorgruppe Boko Haram, die seit 2014 wegen massenhafter Entführung junger Mädchen in den Schlagzeilen erscheint

Mir scheint, „das Böse“, Abgründige, Niedere wird oft geradezu herausgefordert, wenn es sich „dem Guten“, Unschuldigen, Reinen gegenübersieht ( – Wenn es mein geistiger Horizont zulässt, müsste ich eigentlich die theologische Habilitation meines Großneffen (?) J.D. lesen, der über die Schlange im Paradies promovierte…).

Ich glaube, darum geht es im Leben (bereits zuvor erkannt, aber wieder deutlich geworden): Sich zu entscheiden! Kornfield zitiert Viktor Frankl, der KZ überlebte und von Männern berichtete, die trotz ihres eigenen Elends andere trösteten und ihr letztes Brot gaben: „… die letzte der menschlichen Fähigkeiten angesichts einer bestimmten Lage (sei) seine eigene Entscheidung zu treffen, seine eigene Haltung zu bestimmen.“ (4)

Ergo: INTEGER SEIN! Aus: Persepolis. Eine Kindheit im Iran von Marjanne Satrapi (Groooßartig!): Großmutter gibt ihrer Enkeltochter vor deren Ausreise aus dem Iran folgenden Rat: „Du wirst im Leben viele Idioten treffen. Wenn sie dir wehtun, sag dir, dass es ihre Dummheit ist, die sie treibt, dich zu verletzen. Das wird dich hindern, auf ihre Bosheit zu reagieren. Es gibt im Leben nichts Schlimmeres als Bitterkeit und Rache… Bleib immer würdevoll und dir selber treu.“ (5)

Blöd, jetzt muss ich weinen…

Kurze Kaffeepause: Mein Blick fällt auf einen unserer Apfelbäume, dessen Haupttrieb ein wohlmeinender Nachbar per Kettensäge gekappt hatte und der nun zum ersten Mal seit 6 Jahren trägt.

 

Anm. zum Titel: Jöselei = plattdeutsch oder Wortschöpfung vom Mütterlein; Dark, Dark, Dark = meint hier meine "dunklen, finsteren" Gedanken heute morgen, ist aber auch eine großartige Band; Apfelbaum nimmt Bezug auf das Lutherzitat (lediglich aus der Erinnerung): "Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen."

Anm. zur Zeichnung: Sozusagen ein "gezeichnetes Zitat", in Anlehnung an Nadia Budde Such dir was aus, aber beeil dich! Kindsein in zehn Kapiteln (Großartig!), Kapitel 8. Budde beschreibt bildnerisch, wie sich eine Erkältungskrankheit als Kind angefühlt hat.

1: Kornfield: promovierter Psychologe und Psychotherapeut, buddhistischer Mönch aus den USA.

2: Vgl. Kornfield, München 2008, S. 37.

3: ders., S. 26.

4: Vgl. Kornfield, ebd., S. 29.

5: Satrapi, Zürich 2004, S.154.