Die Gabe (nach Derrida)*

*Anmerkung zum Titel: "Die Gabe" meint nicht das Buch von Nabokov, das ich mal besaß, aber nicht las und meint auch nicht "die Gabe" im Sinne einer besonderen Fähigkeit, sondern: s.u.

„Weltrettung – ganz klar!“, so tönten Schutzi-J. und ich am Sonnag einstimmig bezüglich unserer Bemühungen im allgemeinen und im besonderen. „Herrn Hader“ solle ich nach Hause schicken, riet die Freundin bezüglich meiner kommenden Ausstellung. Was mich bewogen hätte, mich nach all der Zweifelei nun doch endgültig dafür zu entscheiden, lautete ihre Frage zuvor. Ich sei mein ständiges Infragestellen leid, so meine Antwort. Außerdem sei auch schon zuviel auf den Weg gebracht: meine als Kind bespielte Altflöte versetzt, um die knapp 600 Repros der Blogbilder zu finanzieren; T. als Textlayouter engagiert, der bereits einige Stunden investiert hat; in der IKK-Planung abgesprochen und festgelegt. Leid bin ich auch mein ständiges Heischen nach Bestätigung und meine starke Verunsicherung, wenn diese nicht gebührend ausfällt (Ich-Schwäche halt – aber: Das Leben selbst ist ja mein Unterstützungssystem; Ich kann für mich selbst sprechen (vgl. Hay, Artikel zuvor)). So können mein Bruder und meine Mutter beispielsweise mein „Nach-Außen-Gehen“ nicht nachvollziehen (meine Mutter kennt meinen Blog gar nicht, jedoch nicht aus Desinteresse, sondern schutzbedingt), beide sind mir diesbezüglich aber sehr zugewandt. Auch einige Freundinnen zollten schriftlich kurz und direkt Respekt und Anerkennung für meinen Schritt (meine Freundin J. aus HH z.B. auf einer großartigen Postkarte einer Fotografie von David Dawson Lucian Freud painting The Queen, 2001).

So  sei es also! Einfach machen! Es fügt sich alles

Das dem so ist, habe ich ja bereits zuvor erkannt, doch verblüffend ist ebenso, dass mir am Montagmorgen, nachdem es auch im sonntäglichen Gespräch mit Schutzi-J. um Sprache (s.u.) ging, ein Text über Derridas Auffassung von Gabe in den Sinn kam, den mir meine Freundin J. aus HH -, die mit der oben erwähnten Postkarte -, bereits vor Monaten zukommen ließ und den ich nun endlich las. Geklickt hat’s, gekickt hat’s mich, geraucht hat’s auch. Alles in meinem Kopf (vor meinem Kopf geraucht hatte es am Abend zuvor: heißer Dampf schlug mir aus dem Ofen entgegen und ich hatte einen kleinen Schock: weinte, lachte, äußerte ein „Hui…!“). Leicht verrückt wurd‘ ich aufgrund der lange nicht mehr getätigten, philosophischen Lektüre. Lustig war’s: wie ein zerstreuter Professor zog ich meinen Pulli falsch herum über den Kopf, wollte mit einer Socke am linken Fuß und doppelt besockt am rechten Fuß in meine Laufschuhe steigen, klemmte den Schnürsenkel in der Tür ein, stolperte lachend los.

Ernsthaft weiter nun im Text:

Das Denken ist ein Sprechen und dieses ein Hören – so lautet das Zitat von Kant zu Beginn des Textes. So ist es! Ich wünschte nur, ich könnte ab und an besser weghören und das Denken, das ein Sprechen ist, wäre nicht so laut…

Zur Gabe im derridaschen Sinne (O.Ton J.) sei verkürzt gesagt (Ausführungen zu meinen Erkenntnissen während der Textlektüre würden zu weit führen: vom Kopfgerauche über ein Husserl-Zitat auf englisch zur Intuition bis hin zu Decartes „Ich denke, also bin ich“, was meint „Ich zweifle, also bin ich“, einschließlich Ts Frage: „Ist Angabe auch eine Gabe?“), dass sie – so begriff ich’s – bedingungslos sei, wie die Liebe meinen Kindern und im Idealfall meinem Liebsten gegenüber. So soll denn also die Gabe meines Blogs und somit meines inneren Erlebens für ein unmittelbares Außen selbstlos und bedingungslos erfolgen und nicht im Sinne „selbstgefälliger Generosität“ (1) oder im Sinne eines Tausches, eines Erwartens -, um dies zu erreichen darf sie allerdings gar nicht erst als Gabe verstanden werden. Dies Paradoxon zu verstehen, fällt nicht leicht und mir entgleitet’s immer wieder, kaum dachte ich, es greifen zu können. Auch dafür hilft’s, den „Gabecharakter“ der Sprache anzuführen. Heidegger spricht vom „eigentümlichen Walten“ der Sprache (wie wahr!), das sich dann vollzieht, wenn „wir für etwas, was uns angeht, uns an sich reißt, bedrängt oder befeuert, das rechte Wort nicht finden“ (Heidegger, Unterwegs zur Sprache, 1993, 161). Das Subjekt ist kein souveränes, die Sprache, das Geben bestimmendes. Sprache ist nicht restlos instrumentalisierbar; die eigentümliche Seinsweise der Sprache ist ihre „Vorgängigkeit“, d.h., der Mensch ist immer mit sprachlichen Strukturen verwoben.

Wir sprechen und sprechen von der Sprache. Das, wovon wir sprechen, ist uns stets schon voraus. Wir sprechen ihr nur ständig nach. So hängen wir fortwährend hinter dem zurück, was wir zuvor eingeholt haben müssten, um davon zu sprechen. Demnach bleiben wir, von der Sprache sprechend, in ein immerfort unzureichendes Sprechen verstrickt (Heidegger, s.o., 179).

Abschließend: Ich kann also meine Gabe – Blog, Ausstellung – nicht als solche bezeichnen, muss sie „vergessen“, riskieren, ihr drohendes Misslingen bzw. Scheitern oder ihr Gelingen in Betracht ziehen, gleichzeitig ihre Unmöglichkeit und ihre Möglichkeit denken. Dadurch eröffnet sich ein Ereignis, etwas Unabgeschlossenes.

Hui…!

1: Matthias Flatscher, "Derridas "coup de done" und Heideggers "Es gibt". Bemerkungen zur Un-Möglichkeit der Gabe", Wien (?), S.40.