4.4.20. Keine Sonne, kein Schattenspiel. Trotzdem fein.
Sa, 4.4.: Wie unterschiedlich „die Krise“ doch erlebt wird. Einige sind einsam, andere sind entschleunigt, wieder andere kreativ, frau(ke) ist überfordert. Zuviel Atmosphärenfühlerei.
Zum Glück habe ich den Überforderungsniederwurf von letzter Woche überstanden. Ich verlebte einen betrüblichen, zwölften Hochzeitstag (1): verzagt und zu schwach zum Sprechen, zu schwach für die einfachsten Bewegungen und Handgriffe. Schlief fiel, sprach wenig, wärmte mich in der Sonne.
Der Schlaf und die Kommunikationsreduktion waren dringend vonnöten und heilsam nach ein paar Tagen. Nach einem Tag, an dem ich es morgens gerade schaffte, 1 l Sojamilch zu heben, stritt ich mich am nächsten so arg mit J., dass ich – während seiner Abwesenheit – vor Wut eine Schere in meine Schreibtischplatte rammte. Nun ziert ein Ozaaufkleber das Loch.
So, 5.4.: Während meine Morgenlaufes durch den Wald ans Wasser erblicke ich einen kleinen Kleiber, der auf der Straße hockt. Er scheint verletzt und ich traue mich nicht, ihn in die Hand zu nehmen. Spreche mit ihm und mir selbst, gehe hin und her, weiß nicht, was ich tun soll. Lege zwei größere Äste um ihn herum, damit kein Auto ihn platt fährt. Ein älterer Herr steigt aus seinem parkenden in der Nähe aus und ruft mir zu: „Brauchen Sie Handschuhe?“ Ich gehe ihm entgegen und bejahe, betone aber, dass sie mir auch nix nützen werden, da ich so flatterig bin und Sorge habe, das Vögelchen fallen zu lassen. Der Herr begleitet mich. „Aus sicherem Abstand sah ich Ihre Not und dachte, „Was macht Sie da? Es ist lieb, dass Sie dem Tier helfen wollen.“ Als wir beim Vögelchen ankommen, ist es tot. Der alte Herr packt es behutsam mit den Handschuhen an einer Kralle und schleudert es in die Böschung. Ich schlucke innerlich. Wir verabschieden uns freundlich voneinander. „Bleiben Sie gesund!“
Am Abend zu T.: „Heute erlebte ich die glücklichsten fünf Stunden seit „der Krise“!“ Ich schuftete im sonnigen Garten, hackte, jätete, wühlte in der Erde. Jubelte meiner Nachbarin zu, deren Enkelkind am Tag zuvor geboren wurde. War dann wieder ganz bei mir und meiner Tätigkeit. Die unterschwellige Überforderung, die mich seit Beginn „der Krise“ begleitet hat, ist fortgeblasen.
Mo, 6.4.: Große Mitsorgen um eine „kleine, kämpfende Elfe“ zerfasern meinen Tag. Am Abend weine ich vor Erleichterung.
Di, 7.4.: Am Morgen zelebriere ich eine Schattenumarmung mit meiner Freundin Schutzi-J. Große Mitfreude. Am Abend starke Rührung.
Am Nachmittag per Telegram an N.: „Ich genieße die Sonne, nähe mottenzerfressene Sachen, male bunte Blumen auf Kleiderflecken, die nicht mehr rausgehen, putze Winterschuhe. Fein ist das!“
Mi, 8.4.: Ich gehe zum ersten Mal seit drei Wochen einkaufen. Bin überfordert und schwöre, es nie mehr tun zu wollen. Zuviel Mensch! Warum? Doch auch: Eine ältere Dame schenkt mir 1€ für den Einkaufswagen, ich schenke ihr dafür am End eine edle Schokolade.
Bin den Tag über erschöpft vom Einkauf, habe Kopfweh vom Rechnen.
Do, 9.4.: Mitgefühl mit P. Weinen am Telefon.
Wäschewaschen, Wäsche in der Sonne aufhängen, Artikel in der Sonne beenden.
1: 28.3. (letzter Artikel), zwar 12ter Hochzeitstag, aber im Mai 23 Jahre Liebe!