Ich ist eine andere

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90ter Eintrag!

Gewissenhaft wie ich bin und/oder perfektionistisch (nicht immer und in allen Dingen), versuche ich nun wie angekündigt, das Wesentliche aus dem Telefongespräch zwischen mir und meinem Bruder vor 9 Tagen (1) wiederzugeben.

Ausgangspunkt war die Unterhaltung mit U./H. und F. (2) über Beruf und Berufung. H. nannte in diesem Zusammenhang vier Dinge, die man/frau als LehrerIn  besitzen muss: 1. Wahrhaftigkeit, 2. Humor, 3. Fachliche Kompetenz, 4. Innere Stärke.

– Wie immer alles zusammenhängt…?! Da fragt mich T. gerade, ob ich an einem Projekt mit GrundschülerInnen und Geflüchteten teilnehmen möchte und ich bin überfordert. Noch während er’s mir vorstellt, laufen schon die Tränen. WO IST NUR MEIN PLATZ?!? Muss jetzt endlich mal stark sein (?!) und erkennen, dass ich für so etwas nicht geeignet bin. Kein Projekttyp (3)! Es muss etwas aus mir kommen, nicht an mich herangetragen werden, mir „übergestülpt“ werden. Habe das Gefühl, meine Kompetenz, die mir zugetraut wird, nicht wirklich entfalten zu können.

Kurz nach meinem klassischen Burnout trat meine Freundin J. aus HH an mich heran und ich verfasste ein brillantes Konzept für ein Kunstprojekt der Körberstiftung zwischen Schule und Uni. Scheiterte gleich nach meinem ersten An – und Auftritt und übertrug die Fortführung an eine Hamburger Kunstvermittlerin; verzichtete auf Geld und Ruhm (Hohn!). Die unendliche Kraft, die es mich damals gekostet hat (keinesfalls das Schreiben des theoretischen Textes, das habe ich geliebt und gekonnt), steckt mir immer noch in den Knochen – 11 (?) Jahre später. Tränen. Fuck! T. kommt und bringt mir einen Kaffee. Ich schaffe es, meinen frischgeschnitteten, kurzen Pony in den Kaffeebecher zu hängen, tsssst… T. wollte mich mit der zaghaften Anfrage, auf die er die Antwort eigentlich schon erahnte, gar nicht so aufwühlen. Ich hatte dies auch nicht geplant. Stottere herum, um mich zu erklären.

Woher nur diese plötzliche Traurigkeit? Ah, PMS wäre möglich oder auch die Erinnerung an Scheitern. Scheitern = Weg? Wo ist er, der Weg?…

Akzeptanz muss her und nicht die ständige Zweifelei!

So ist nämlich der Zusammenhang, von dem ich zuvor schrieb: Nach dem Gespräch mit H. und F. war ich klar: alle 3 Kompetenzen besitze ich (Wahrhaftigkeit, Humor, Fachliche Kompetenz) nur die 4te fehlt: Innere Stärke – jedenfalls die Art von Stärke, die im Lehrberuf benötigt wird. Mein Bruder wischte diese Klarheit wieder fort, allerdings nicht, um mich zu verunsichern, sondern, um mir ein Kompliment zu machen, mich zu bestärken. Allerdings räumte er zum Ende des Gespräches ein, dass die HSP-Komponente wohl doch nicht außer acht zu lassen sei… Wohl wahr!

So sage ich mir nun: Akzeptiere, dass du einen Draht zu Kindern und Jugendlichen hast, gute Ideen entwickeln, gut vermitteln kannst, viel Gewinn und Erfüllung aus diesen Begegnungen ziehen und trotzdem nicht mit ihnen arbeiten kannst!

Hier steht es nun und ich kann es nachlesen, falls ich’s vergesse (4)!

P.S. Teil 2 des Telefongespräches zwischen Bruder und mir folgt.

Zum Titel: nach Rimbaud

Zu den Zeichnungen: 
Vorstellung eines Kunstprojektes vor 11 Jahren in einer HH-Schule, 5. Klassen. Ich, in einem weißen Arbeiteroverall als "Bildforscherin". Kroch innerlich die Flure der Schule entlang, war innerlich ein Häuflein, ein Schatten. Musste unvorstellbar viel Kraft sammeln, um in den Klassen für das Projekt zu werben. Mercutio sprach mit übertrieben fröhlicher Stimme. Ein Schüler entlarvte mich mit ernster Stimme und abschätzigem Blick: "Sind Sie Schauspielerin?" Innerlich brach ich zusammen.

1: vgl. 14.11.

2: vgl. ebd.

3: vgl. 31.10., 70ter Eintrag.

4: Tipp (in anderem Zusammenhang) von meiner Freundin Schutzi-J.