Verdichten

Handyzugfotografien von J., 5 Jahre, 29.7.18, Rückfahrt nach Fl.

4 . 9.: „Verdichten- das ist es, was ich tun muss!“, sage ich mir innerlich und starre gelähmt auf die zig Notizzettelschnipsel mit aktuellen Gedankenfetzen zum Blog.

Nachdem ich am 30.8. zum zigsten und eigentlich finalen Male (vgl. Artikel vom 2.1.19.1., 13.3., 28.3., 28.5.18) beschlossen habe, meinen Blog zu beenden (lustig und lächerlich zugleich, dass ich’s immer wieder in Abständen beschließe und ankündige, suchtgleich jedoch immer wieder schreibe…), muss ich mich sortieren…

Im Anschluss an eine kürzlich gesehene Dokumentation in der Arte-Mediathek (1), aus denen ich bei Erkenntnisgewinn so gern und oft zitiere, und der Besinnung auf Gelerntes im Skillstraining (NEGATIVE GEDANKENSPIRALEN! NICHT BEWERTEN! (Anm.: 3 Tage später muss ich, frisch vom Skillstraining kommend, korrigieren: es heißt nicht, dass Bewertung generell falsch ist! Nur in der Achtsamkeit gilt es, nicht zu bewerten. Bewertung ist jedoch dann wichtig, wenn klar ist, ob ich etwas als positiv oder negativ empfinde.) stand mein Entschluss eigentlich fest: ich beende vier begonnene Artikel, dann habe ich 380 Artikel und über 2 Jahre jeden Monat veröffentlicht. Denn nun ist es endlich an der Zeit, mein HSP-Büchlein druckfertig zu machen (nach 3 Jahren !) und die Oza-Maschine richtig, ernsthaft, weltumfassend ;-) zu starten (nach 16 Jahren?!). Finis!? Pause?! (2)

Nachdem ich zum zigsten Mal erlebt habe, dass in Bezug auf meine Hochsensibilität, und auch auf meinen schwarzen Hund verschiedene Modi bzw. Level auszumachen sind, kann ich diese nun final beschreiben.:

Sie sind z.B. VOR, WÄHREND und NACH einem Ereignis – z.B. einer Reise, einem Fest, einem Job – erkennbar.

So bin ich VORHER meist bereits erschöpft, gestresst, überfordert, weine schnell, „will nicht“. Kleine, körperliche Symptome: z.B. massives und folgenreiches Daumennagelrandgeknibbel, Augenrandgereize liefern Hinweise auf innere Anspannung. Es hilft dann, mich zu programmieren, um „dem Ereignis“ standhalten zu können.

Entweder kostet es mich WÄHRENDDESSEN enorme Kraft, was mir jedoch entweder nicht anzumerken ist (zu Mercutiozeiten war dies immens und oft qualvoll – in diversen Artikeln thematisiert, 3) oder was ich durch Rückzugsmomente innerer oder äußerer Art (4) zu kompensieren versuche. Mein Körper sendet mir manchmal bei akuter Überforderung Signale, z.B. Schmerzen hinter den Ohren (in Kommunikationssituationen eher positiver Art), plötzliches, lautes Tinnitusgefiepe, Kopfschmerzen (alt- und allseits bekannt). Dann ist es zuviel, aber aushaltbar (5). Da ich jedoch bereits seit meiner Entstehung im Mutterleib überfordert bin (haha) und per se chronisch überfordert bin (herrje), zeigt auch mein Körper in zuverlässiger Regelmäßigkeit Symptome (vor, während und nach der Reise bis jetzt waren sie stellenweise höchst unerfreulich).

Oder aber, ich kann wirklich und positiv teilhaben, indem ich „mitschwimme“, ohne, dass es mich währenddessen allzu sehr anstrengt. Das ist neu und wunderbar zu erfahren! Während meiner Ausstellungseröffnung war es so, während unserer Reise war es glücklicherweise oft so (Voraussetzung: hochgradig programmiert im Vorfeld und währenddessen immer wieder!), während des Sommerfestes in unserem Dorf vor zwei Wochen war es so.

NACH solchem Erleben ist der Erschöpfungsgrad allerdings hoch und ich brauche lange, um mich zu erholen. So brauchte ich z.B. nach dem Fest gefühlt eine Woche. Nach meinen „zwei Jobtagen“ (Mi: 1 Std. Sprachunterricht, 1 1/2 Std. Zeichenunterricht; Do: 1 Std. Lese-uns Schreibunterricht, 2 Std. Skillstraining) bin ich am Abend so erschöpft, dass ich nach Js Bettung wie ein kleines Kind wimmernd, zu keiner sprachlichen Handlung mehr fähig selbst „zu Bett krieche“.

Wie lange ich nach unserer(n) Italien-und Verwandtenreise(n) brauchte, um den „Jetleg“ zu verarbeiten, kann ich gar nicht genau sagen, denn eigentlich bin ich seit unserer Rückkehr dauerhaft und auffällig erschöpft… (schrieb ich am 7.9.).

11.9. Gestrige Somatic-Experience-Sitzung bei N. nach langer Zeit: heilsam und so sehr stärkend! Empfand mich danach am Tag als eine andere, sozusagen innerlich geweitet.

 1: Notizen zur Dokumentation "Liebe Magersucht", F 2015, Judith du Pasqier (Anm.: Zwar war ich glücklicherweise nie magersüchtig, erkenne aber durchaus Parallelen, einerseits aufgrund meiner jahrelangen, bulimischen Phasen und Ernährungs-/ Körperobsession (geheilt durch Ts Liebe), andererseits aufgrund kindlicher Traumata):
Psychiaterin zu einer Magersüchtigen Patientin in der Klinik: "Tagebuchschreiben?! Aber ist das gut, Jana? Das wiegelt alles wieder auf, den ganzen Tag, an dem man unglücklich war, an dem man so schwierig war."
(Anm.: ich zu mir nach der Doku: "Genau! Alles Mist mit dem Blog! Nix mit "heiteren Stunden", immer liegt der Fokus auf dem schweren Erleben...". T.: "Aber Dein Blog ist ja kein Tagebuch, sondern eine künstlerische Form...". Ach ja, stimmt auch...)

0:30:13: Prof. Maurice Corcos, Psychiater: "Nahrung = Bedürfnis = erste Begegnung mit der Welt = seelisches Bedürfnis. Aufmerksamkeit hat in ihrer frühen Beziehung nicht stattgefunden."

0:31:00: Kommentar aus dem Off: "Dieser Mund der Nein sagt knüpft also an die Zeit vor der Sprache an. Oftmals trägt er die Last traumatischer Familiengeheimnisse - oft über mehrere Generationen hinweg, von der Mutter an die Tochter weitergegeben, von der Großmutter an die Enkelin, manchmal auch vom Vater an die Tochter. Hier greift also das große Geflecht der unbewussten Übertragung, das Risiko der Vererbung."

0:32:49: Prof. C.: "Ich glaube, sie empfinden einen Ekel. Der geht tiefer und ist archaischer als die einfache Phobie. Sie haben einen Ekel vor allem, was fett, was schlaff, was weichlich ist. Vermutlich gab es in ihrer Kindheit Augenblicke der Weichheit, der Passivität, der Formlosigkeit, in denen sie eigentlich jemanden brauchten, der sie stützte in ihrer Entwicklung, ihnen half, Form, Halt, innere Kraft zu finden. Und diese Weichheit, Passivität, Ohnmacht, die sie als Urangst erfahren haben, wollen sie nicht noch einmal erleben."

0:33:29: Psychologin (Name?): "Es scheint, als seien diese Kinder im kritischen Alter von zwei Jahren vielleicht zu sensibel, zu intelligent, zu nachdenklich gewesen. Sie waren sich der menschlichen Quintessenz und Sorge zu sehr bewusst. Gleichzeitig wurde ihnen nicht genug Sicherheit und Stärke vermittelt. Sie wurden nicht mit einem kleinen, inneren Kapital ausgerüstet, das solide und frei genug wäre, um all das sozusagen leichten Herzens hinter sich zu lassen. Deshalb bleiben sie ein bisschen in dieser Lebensphase hängen. Als wäre all das zu schwierig. Die Loslösung und Eigenständigkeit,..., das Loslassen und Weitergehen..."

(Anm.: Die Dokumentation wirkte lange nach und wühlte auf. Hatte grenzüberschreitende Mutterträume (ich: Tochter) zur Folge, innere Verarbeitung von Nähe und Distanz etc.

2: In der Dokumentation über Magersucht benannte eine Psychiaterin die Säulen, auf denen sich der Heilungsweg in der klinischen Behandlung stützt. So sollen sich die PatientInnen an einem bestimmten Punkt die Frage stellen: "Was ist, meine persönliche Krankheitsgeschichte und was muss ich tun, um eine solche künftig zu vermeiden?" 
Eigentlich habe ich dies in meinem Blog bisher getan, wenn auch nicht alles offenlegend... Gut so!

3: vgl. z.B. Artikel "Ich ist eine andere", 23.11.16.

4: Mir Rückzugsmomente zu gewähren ist allerdings unmöglich während meiner momentanen Jobs in den Behindertenwerkstätten, da ist meine 100% Aufmerksamkeit zu jeder Zeit gefordert. Ich als HSP schenke 200%. Dies hat einen unverhältnismäßigen Zeit-versus-Kraft-Aufwand zur Folge.

5: Während des Skillstrainings ist es mittlerweile auch ohne Metallspitzenkugel für mich aushaltbar (vgl. Artikel vom 19.1. - Verlinkung s.o. und 8.5.18.). Allerdings habe ich nun währenddessen die leidige Angewohnheit entwickelt, mit meinem Zeigefinger abwechselnd unter der Sehne in der Armbeuge oder mit mehreren Fingern unter dem Schlüsselbein zu hakeln.

Anm.: 
- Artikelbearbeitungen am 13.8., 14.8., 28.8., 4.9., 7.9., 11.9.
- Probedruck meines HSP-Büchleins liegt vor... Yess! DO IT!