Improvisation

Erworben im arabischen Supermarkt in der Neustadt am 26.4.

Super(wo)man wär‘ ich gern und bin ich doch, oder wie war das? (Vgl. Artikel vom 20.4.16). Gesellschaftskompatibel jedenfalls bin ich nicht, oder doch…? Streckte meine Fühler in der Zeit nach Ostern nach Außen aus (jobmäßig) – schrieb vor zwei Wochen eine überqualifizierte oder eine disqualifizierende Bewerbung für eine Hortbetreuung („Wir melden uns!“…), viel Recherche (Was ist möglich für mich in welchen Bereichen?), viele Termine, (für meine Verhältnisse), viel Kommunikation (für meine Verhältnisse) – bin davon unverhältnismäßig erschöpft, gereizt.

„Du hast es gut!“, so eine unbedachte Äußerung einer Freundin, als ich vor geraumer Zeit wegen Überforderung und „Hundbefall“ nicht in der Lage war, an einer Gemeinschaftsaktion teilzunehmen. Sie konnte nicht ahnen – und ich ebenso wenig – wie sehr mir die Worte nachhingen und es noch tun. Wünsche ich mir doch so häufig, nicht so zu ticken, wie ich ticke. Mein SoSein bereitet mir oft nicht wirklich Freude. Die hohe Empfindlichkeit, die extreme Schreckhaftigkeit machen mir meine nicht selbst gewählte Andersartigkeit täglich (mehrfach) bewusst. Fühle mich außerirdisch manchmal (vgl. 24.4.). Hinzukommend die Schwermut, die mich ab und an befällt, und die es immer wieder abzuschütteln gilt. Beides kostet viel Energie (1). Mein System muss sich jedesmal davon erholen.

Es gilt, im alltäglichen Leben einen Umgang damit zu finden. Z.B. trotz Erschöpfung an Gemeinschaftsaktionen in der Natur teilzunehmen und dies wertzuschätzen, so erfolgt an den letzten beiden Wochenenden im „Dorf“.

Es gilt, die eigene Andersartigkeit zu akzeptieren, und sich nicht wie von einem anderen Planeten zu fühlen, wenn Menschen sich bei Sonnenschein in Horden an öffentlichen Plätzen tummeln, und frau dies mit keiner Faser ihres Seins nachvollziehen kann (2), so beobachtet während Radfahrten aus der Stadt zurück nach Haus in den Wald.

Es gilt, achtsam mit mir zu sein und z.B. hochgradig überfordernde, unerträgliche Situationen vorzeitig zu verlassen, so geschehen am 3.5. während des Skillstrainings. Statt wie vorgenommen, meinen in der Klinik gefilzten Oza zur Beruhigung in der Hand zu halten -, dies erscheint mir liebevoller meiner selbst gegenüber -, griff ich doch bereits innerhalb weniger Minuten in der Gruppe nach der metallenen Akkupressurkugel mit den Spitzen. Meine Anspannung steigerte sich derart, dass meine Fingerknöchel aufgrund des Drucks auf die Kugel blau-weiß wurden. Mein innerer Zustand glich dem zu Mercutiozeiten, nur dass ich nach außen nicht mehr scherzte, sondern meine Überforderung äußerte. Die Anstrengung, die mich das Bleiben in der Gruppe kostete, war immens. In der Pause verließ ich zitternd und unter liebevollem Zuspruch das Training. Das Erlebte wirkte lange nach. Zunächst erschüttert über meine Labilität, einem Rückschlag gleichkommend, bin ich nun stolz auf meine nicht zu spät (!) erfolgte Achtsamkeit mir selbst gegenüber (3).

An dieser und an meinem Selbstwert arbeite ich fleißig und stetig (4).

Zum Titel: Alles eine Frage der Improvisation? In dem Film Boyhood von Richard Linklater (USA 2014), der über einen Zeitraum von 12 Jahren gedreht wurde, äußert sich der Vater im Gespräch mit seinem mittlerweile erwachsenen Sohn über den Sinn des Lebens und kommt zu dem Schluss, dass man im Leben immer nur improvisiere.

1: vgl. diverse Artikel zuvor, z.B. "Alien oder was?" (17.8.16), "Offline" (19.3.17) "Alles zuviel, zu schnell" (9.4.17), "Positives Denken" (30.10.17).

2: Weitere, "heitere" Beispiele der sich immer mehr ausbreitenden, eigenen Akzeptanz meines hochsensiblen und depressiven Seins gegenüber:
Verlassen einer vollen Eisdiele und leichtmütiger Verzicht auf die nur unter Qualen erfolgte, erfrischende Verlockung;
Verlassen eines zu heißen Imbiss-Raumes und in kauf nehmen des ohne meine Familie erfolgten, auf dem Rinnstein eingenommenen Mahles; 
gleichmütiges Akzeptieren, dass mich oft die pure Anwesenheit eines anderen Menschen stresst und lernen, dies nicht aushalten zu müssen, sondern freundlich, aber bestimmt zu äußern;
gleichmütiges Erkennen, dass Stottern während oder nach Überforderung erfolgt;
Benutzen von Ohrstöpseln im Alltag, z.B. am sonntäglichen Badetag der Kinder, Weglassen von Ohrstöpseln des nachts und erleichtertes Wahrnehmen desselben. Etcetc.

3: Dass ich im Laufe meiner Skillstrainingteilnahme bereits gelernt habe, liebevoller mit mir umzugehen, was sich z.B. auch in meinen sprachlichen Äußerungen mir selbst gegenüber äußert, wurde mir von der Ergotherapeutin in der vorletzten Sitzung lächelnd attestiert.

4: Noch mehr Beispiele meiner Selbstoptimierung: So beschloss ich, meinen seit der Klinik immens hohen, an Selbstzerstörung grenzenden Chilikonsum (bereits zum Frühstück in Form von getrockneten Chiliflocken im Müsli, löffelweise zu Mittagsgerichten) einzuschränken. In Zeiten hoher Anspannung war mein Bedürfnis nach scharfem Essen immer mehr gestiegen. Nun gehe ich milder mit mir und meinen Speisen um.
Auch übe ich mich in Nachsicht meiner Weltrettungsmentalität gegenüber, habe ich doch fast 1 1/2 Jahre auf Shampoo verzichtet und an mein Haar nur Obstessig und Zitrone gelassen, am 30.4. aber beschlossen, wieder auf nachhaltiges Ökoshampoo umzusteigen. Das äußere, glänzend-seidige Erscheinungsbild steigert enorm meinen Selbstwert.