Nebelbrille, zweiter Teil

Gefilzter Oza, 2015.

Die Titel der letzten Wochen waren Programm, d.h. sie verdeutlichten meinen Prozess: Hausaufgaben, Aufräumen, Saisonaler Schiefstand, Halblang, Komm, Worum es geht!, Unaufgeregt, Metamorphose.

Durch die Krankheitskümmerei war ich mit meiner Blogerei in Rückstand geraten. Es floss nicht (1.3.). Überforderung wegen Anhäufung. Zweifel mehrten sich. Durch gehäufte Schlafstörung war ich noch dünnhäutiger, dunkelblickender, bis mir der Sinn des Lebens gedanklich komplett abhanden kam (siehe Ausführungen zuvor).

Am Weltfrauentag (8.3.) begann die langsame, positive Metamorphose – eine aktuelle und hoffentlich umfassende und bleibende -, die durch einen Hochpunkt der Verzagung eingeleitet und durch mehrere Augenöffner und Erkenntnisse fortgeführt wurde.

J. und ich waren bei einem seltenen Besuch im Dorf unterwegs, bei dem mir einerseits meine Andersartigkeit durch meine Hochsensibilität und andererseits meine Andersartigkeit aufgrund meiner Nebelbrille bewusst wurde (noch hatte ich allerdings nicht erkannt, dass ich eine solche aktuell trug). Unser neuer, junger Musikernachbar schwärmte von der Musikszene in HH, in der er sich bewege und in der Neues, Aufregendes entstünde. Ich suchte in mir nach einem Anklang und fand nichts. Durch neugierige Nachfragen das Wohnprojekt betreffend, wurde mir wiederholt klar, dass ich soviele Jahre vollkommen überfordert hier gelebt, dass die Nebelbrille bereits zuvor in unterschiedlichen Größen auf meiner Nase gesessen hatte. So erinnerte ich mich gut an das vergebliche Aufspüren eines positiven Gefühls, wenn ich im Dorf ausgelassenen Kindern oder eifrig im Garten werkelnden NachbarInnen zuschaute; an die hohlen Mantrawiederholungen in meinem Hirn: „Du lebst hier im Paradies!“; an die oft gesprochenen Worte unseres verstorbenen Nachbarn C., der mich dabei kopfschüttelnd anblickte: „Es ist so schön hier! Warum bist Du nicht glücklich?“ Der Kopf fragte sich das ständig, das Herz blieb unberührt.

Abends schaute ich auf arte einen Film über die Fordfrauen, die durch ihren Streik 1970 ein Gleichstellungsgesetz herbeiführten. Filmsong: You can get it if you realy want (Ich in Bezug auf mich: „What for?!“) Schon wieder erfolgte kein innerer Anklang, und ich blieb ob der historischen Dimension vollkommen unbeteiligt -, bemerkte dieses Dumpfe aber wenigstens bedauernd – es geht auch anders, d.h. ohne überhaupt noch etwas zu merken (1).

Am nächsten Morgen weinte ich im Gespräch mit T. Ein Dunkelschwall von Worten quoll aus mir hervor (vgl. Zeichnung vom 13.3.) und meine angestaute Verzagung über die von mir angenommene Sinnlosigkeit meines Tuns und Seins, wurde auch T. offenbar.  T.: „So will ich nicht leben!“ Wie recht er hat!

Auch N. rüttelte mich in der anschließenden Sitzung -, die zum Glück an dem Tag stattfand – auf: Ich überzeugt, analytisch-kalt: „Das Leben ist absurd!“ N.: „Da halte ich entschieden dagegen!“ Lachen. „Trotz aller Nackenschläge – Du hast es bis hierher geschafft!“ Zuvor hatten wir uns gefragt, woher der enorme Druck kommt, der mein Leben bestimmt. Ich wünschte mir, dauerhaft mein Analysehirnstück rausoperieren zu können, um nicht nur während der Sitzungen ins Erleben, in meinen Körper spüren zu können. Erneute Zweifel, ob der Blog aus diesem Grund der richtige Weg für mich ist (ja, ist er!). Auftrag von N.: Mach‘ mal halblang!

Den ganzen Tag über war ich matt und traurig. Das Hirn blieb dumpf. Ich machte halblang, konnte gar nicht anders, brachte dafür aber – oder gerade deswegen?! – eine schöne Zeichnung zustande (2). Meine Freundin L. äußerte sich per SMS zu der Zeichnung von J., und war ganz beeindruckt (so auch meine Freundin M. Erfreuten beide mein Herz!). L. schrieb, falls der Text, der noch folgen sollte, sich auf das Bild bezöge, wäre es ersichtlich, dass von Liebe und Sehen die Rede wäre. Die Metamorphose hatte offensichtlich bereits begonnen…

Fortsetzung folgt: Aus dem Dornröschenschlaf erwacht.

1: vgl. 2.3.

2: vgl. 9.3. Text folgt, schrieb ich, das tut er hiermit.