Nachdem ich gestern mit einem leichtfreudigen Gefühl erwachte, das ich seit ewigen Zeiten nicht mehr des Morgens fühlte (und auch sonst oft nur so flüchtig, dass ich mich nicht erinnere), meinen Liebsten gleich nach dem Erwachen zart umarmte und mich auf den Tag freute, was mich wahrlich verblüffte, war diese leichte Geisteshaltung leider nicht von Dauer.
Nachdem „Brüllbeutel J.“ einen Aufstand geprobt hatte (nicht der erste seiner Art in letzter Zeit) und ich ihn unter Gekreisch und Gestrampel „zu seinem Glück zwingen“ wollte – erfolglos (1) -, hatte sie sich des Mittags komplett verabschiedet. Höchst geladen harkte ich draußen Blätterberge zusammen, drosch mit einem Schläger auf staubige Teppiche ein (auch eine äußerst sinnvolle Art, Aggressionen abzubauen! (2)), strafte J., der von drinnen zusah, mit Nichtachtung – eine Haltung, die ich sonst verabscheue – und beruhigte mich erst wieder, als J. gestiefelt und gespornt zu mir in den Garten kam und mit leisem Stimmchen sagte: „Ich wollte dich nicht so annerven!“
Nachdem ich im Laufe des weiteren Tages meiner momentanen Laufroutine nicht nachgehen konnte, da mich Hausfrauenarbeitsberge davon abhielten (ich frage mich, wie andere Mütter, vor allem alleinerziehende mit mehreren Kindern und Beruf, all dem gerecht werden (3) und „sich nicht verlieren“?! (4) und ich ebenfalls meine seit 2 1/2 Tagen begonnene Raw-to-Four (5)-Regel durchbrochen hatte, verfestigte sich das „Leichtigkeit-hat-sich-erschwert-Gefühl“.
Nachdem des Abends kein Körnchen Gelassenheit mehr übrig war und J. meinen Cortisolspiegel in absolute Höhen getrieben hatte, betrachtete ich – allein in Js Zimmer auf J. wartend – die Aggroderwische, die in meinem Innern tobten: die meine Blicke über Js Spielzeug gleiten ließen und überlegten, welches sie zerstören könnten; die darüber sinnierten, ob und wie frau(ke) sich mit den Schellen eines Schellenkranzes in Js Instrumentenkiste genügend und befriedigend ritzen könnte; die sich ausmalten, wie sie das Kinderhochbett zertrümmern könnten, und die sich schließlich durch äußere Apathie meinerseits bezähmen ließen. Tränen liefen still. J. kam und sah sie: „Du sollst nicht traurig sein!“ Ich: „Ich bin nicht traurig, ich bin wütend!“ Kehle war zugeschnürt, Vorlesen und Zubettbringen ein Kraftakt. Als ich J. kurz zuvor noch versehentlich die Finger in der Tür klemmte, sprach ein Aggroderwisch aus mir: „Selber schuld!“, während ich ohne jegliche Regung tröstete.
Nachdem J. eingeschlafen war, zog ich mich in unser Schlafgemach zurück und weinte, bis sich das erschöpfte Gefühl in mir ausbreitete, welches ich noch aus Kindertagen kenne, wenn ich zuviel getaucht war und mir das Salzwasser in der Nase kribbelte. Diese eine Mal nahm ich das Weinen als Reinigung wahr, nicht als Zusammenbruch.
Nachdem ich heute Morgen schlaftrunken um ein Haar unsere schwere Buchentreppe heruntergefallen war, beschloss ich, den Tag „auf dem Kopf“ zu beginnen (siehe obige Zeichnung), in der Hoffnung, dass die Umkehrung sich positiv auf den Tag auswirken möge…
Anmerkung zur Zeichnung: Anstoß für den Yogakopfstand, welchen ich und T. wieder praktizieren, gab unsere Freundin A. am Silvesterabend, nachdem sie sich in Sekundenschnelle und mit Leichtigkeit in einen Kopfstand begeben hatte. Grandios! 1: T. zitiert ein afrikanisches Sprichwort: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Wie wahr und eigentlich auch unserer Haltung entsprechend. 2: vgl. Aggro-Polter-Rumpel-Staubsaugerei: 21.8.16. 3: Denke ich an meine Mutter - alleinerziehend, 2 Kinder, volle Stelle als Lehrerin, so fällt mir lediglich ein, dass Tante N. bei uns sauber machte und auch parat stand, wenn wir Kinder krank waren. Meine Mutter hatte ihre Erfüllung im Beruf und ein Netz von Familie, Freunden und Bekannten. Außerdem war sie kein "Zettelmessie"! Ich komme hinter dem, was alles gesichtet, sortiert, notiert und umgesetzt werden will, nicht hinterher... (vgl. Zeichnung 3 vom 12.9.16 und Zeichnung vom 9.10.16). 4: Mir kommt der Rat einer alten Schulfreundin in den Sinn, der ich über Weihnachten in AUR zufällig begegnet bin: "Opfere dich nicht auf! Es dankt dir keiner!", sagte sie, die selbst keine Kinder und keine feste Beziehung hat, aber erfüllt ist in ihrem Beruf, der sie um die Welt reisen lässt und die erfahren muss, dass ihre Mutter neidvoll auf das Leben ihrer Tochter blickt und ihr "Nicht-gelebtes-Leben-der-Kinder-wegen" beklagt. Märchenmotiv... 5: Raw-to-four: Rohkost aus Obst und Nüssen bis 16:00 Uhr; sehr empfehlenswert! Sättigt nachhaltig und frau fühlt sich "rein".