Schwirr

Zum Titel: "Ich hab ein Schwirr im Bauch.", klagte J., 7, nachdem er zuviel gegessen hatte (7.8.).
Zum Foto:
Büchlein geschenkt von meiner Freundin J. aus HH, die bei der Überreichung desselben Deterings "Was heißt hier wir? Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten." (1) im Regal liegen sah. Gute Ergänzung. Entweder hat das Buch einen neuen Titel oder eine Erweiterung erfahren: "Sprich es an! Rechtspopulistischer Sprache radikal höflich entgegentreten", so lautet der "neue" Band. Werde vergleichen... Umschlagzitat: "Wenn wir nicht in einer Gesellschaft leben wollen, in der Hass, Hetze und Rassismus normal sind, dann ist Widerspruch Pflicht."

Ich habe „ein Schwirr“ im Kopf. Gab vorgestern zum ersten Mal wieder meinen Kunstkurs an der E.schule. 7 Jugendliche einer „Kohorte“, 1 1/2 Stunden. Unverhältnismäßig erschöpft, Kopfschmerzen. Vermied gestern Kommunikation im Außen, verbarg mich weitestgehend. Frage mich, ob ich während der C.zeit noch dünnhäutiger, noch kontaktvermeidender als ohnehin schon geworden bin.

Ich möchte einen Platz in der Welt, der mich aus allem heraushält.

„Ich verstehe schon, wenn jemand beschließt, nicht mehr jede einzelne Nachricht und jeden Tweet zu verfolgen (Anm. meinerseits: tue ich ohnehin nicht). Man kann die Weltlage auch mit Distanz, wie mit einer Art Weitwinkelobjektiv betrachten. Für mich ist das aber keine Resignation, sondern gerade eine Möglichkeit, handlungsfähig zu bleiben.“ (3) So ähnlich sprach T. zu mir, nachdem ich mich geißelte, nicht selbst über den Ausgang der Demo in Berlin am vergangenen Wochenende informiert gewesen zu sein, sondern die erschreckenden, rechten Auswüchse und das Schweigen der anderen Teilnehmer erst zwei Tage später über meine Freundin Schutzi-J. erfuhr, die sich lautstark empörte und zum Glück zu Wort meldete.
Bin seit geraumer Zeit stark verunsichert. Wer ist verschwurrbelt, wer nicht?

Angesichts des Kopfschwirrs werde ich Kornfields Rat beherzigen:
„Wenn wir lernen wollen, unser Leben weise zu führen, ist der erste Schritt, dass wir lernen, unseren Geist zu beruhigen. (…) Nur wenn unser Geist und unser Herz friedlich sind, können wir erwarten, dass auch unser Handeln Frieden bringt. (…)
Wenn Sie also ein Leben im Gleichgewicht führen wollen, fangen Sie jetzt damit an. Schalten Sie die Nachrichten aus. Meditieren Sie. Hören Sie Mozart. Gehen Sie unter Bäumen spazieren. Fahren Sie in die Berge. Schaffen Sie eine Friedenszone. Wenn ich von einem längeren Retreat zurückkehre oder lange Zeit auf Reisen war, stelle ich immer wieder überrascht fest, dass sich die Nachrichten seit meiner Abreise nicht großartig verändert haben. Wir wissen ja schon, womit wir es zu tun haben. Die Probleme kennen wir. Lassen Sie die neuesten Nachrichten. Horchen Sie tiefer. (…)
Unseren Geist zu beruhigen, ist also letztlich ein politischer Akt. Die Welt braucht nicht mehr Öl oder Energie oder Nahrung. Sie braucht vor allem weniger Gier, Hass und Unwissenheit (4)“.

So lautet das 23. Prinzip der buddhistischen Psychologie:
„Es gibt keine Trennung zwischen Innen und Außen, Selbst und anderen. Wenn wir uns unserer selbst annehmen, nehmen wir uns der Welt an. Wenn wir uns um die Welt kümmern, kümmern wir uns um uns selbst (5).“

Also: Wer für sich selbst sorgt, sorgt auch für andere (6) und INTEGER SEIN! (7) und weiterhin: die Vernunft als höchstes Gut ansehen (frei nach Hegel)!

1: vgl.: Angstlunte.
2: aus: Lutz Seiler, Kruso, 5. Auflage, Berlin 2020, S. 108.
3: Wiedergefundener Zeitungsausriss eines Interviews in der Zeit (Ausgabe, Datum?) mit Natalie Knapp (?).
4: Jack Kornfield, Das weise Herz. Die universellen Prinzipien buddhistischer Psychologie. München 2008, S. 500 f.
5: ebd., S. 499. Hartmut Rosa sagt aus soziologischer Sicht in Resonanz ähnliches (vgl. Rosa Kornfield).
6: aufgeschnappt von meiner Freundin A.
7: vgl. Jöselei..., Artikel vom 26.9.16 und Be the change you want to see in the world, Artikel vom 1.3.18.