Menschenfilter

Zum Titel: vgl. auch Menschenpause, Artikel vom 23.9.22.

Zum Foto: Spinne mit eingesponnener Spinne, 7.9.

Es war ein Mysterium, weshalb auf dem Alexanderplatz (1) immer so viele Leute waren. Es gab den Busbahnhof, doch damit waren die Menschenmengen bei Nacht nicht zu erklären. Vielleicht gingen die Leute einfach nur deshalb hin, weil er so groß war. Vielleicht zwang der kahle, leere Raum, der nicht war wie der eines Parks, einfach Menschenmengen dazu, sich dort zu versammeln, entsprechend irgendeinem Naturgesetz, das auf Menschen und Straßen und den Menschen schlechthin zutrifft (2).

Brachte gestern über 4 Stunden mit K. in der Stadt zu, um einen neuen Ausweis zu beantragen. Als wir in einem Café die Wartezeit überbrückten, sah ich vom 1.Stock des Gebäudes hinunter auf den mit Menschen gefüllten Platz: „Ich wünschte, es gäbe einen Filter, der die Menschen ausblendet. Oder der sie in Tiere verwandelt, wie zu Coronozeiten, als die Städte von Menschen verwaist und teilweise von Tieren bevölkert waren.“
Später erschöpft zu Hause: „Ich glaube, ich kann kein normales Leben.“

1: Anm.: meint nicht den in Berlin.
2: Aus: Flieder und Flagge, in: John Bergers Von ihrer Hände Arbeit, München 1995/2016, S. 536. 
Vgl. auch Artikel Aus der Fuge vom 8.9.22., in dem ich bereits aus Bergers Trilogie zitiere. Das bedeutet, ich lese bereits seit 2 Jahren mit Unterbrechung in diesem Buch. Es ist großartig, aber zu dick und kostbar zum Mitnehmen.